Isabel & Christian Dietz

Fledermäuse in Vietnam                                                                                                                         

Ba Be forestVietnam ist zwar nur knapp so groß wie Deutschland, bietet aufgrund seiner geographischen Gegebenheiten jedoch eine Vielfalt an Lebensräumen: es erstreckt sich in Südost-Asien in Nord-Süd-Richtung über eine Strecke von über 1600 km. Während die südlichsten Landesteile mit 8°34' nördlicher Breite nur wenig entfernt des Äquators liegen, erreicht die Nordgrenze nahezu den nördlichen Wendekreis bei 23°22'. Damit deckt Vietnam eine breite Palette klimatischer Bereiche und somit an Vegetationszonen ab, eine Situation die durch die ausgeprägte Höhenstufung verstärkt wird: über 30% der Landes wird von Gebirgen bedeckt. Die Küstenlinie erstreckt sich über 3260 km. Die daraus bedingte Vielfalt an Lebensräumen schlägt sich in einer enormen Biodiversität nieder. 

Derzeit sind für Vietnam etwa 100 Fledermausarten beschrieben, eine ganze Reihe kryptischer Arten wartet jedoch noch auf eine Artbeschreibung, so dass von mindestens 130 vietnamesischen Fledermausarten ausgegangen werden kann. Den derzeit umfassendsten Überblick über die vietnamesiche Fledermausfauna gibt das Werk von Borissenko & Kruskop 2003: Bats of Vietnam and adjacent territories, veröffentlicht vom Joint Russian-Vietnamese Science and Technological Tropical Centre, darin sind 95 Arten besprochen. Mindestens 10 neue Arten konnten im Zuge einer systematischen Erfassung der Hufeisennasen- und Rundblattnasen-Fledermäuse durch Dr. Vu Dinh Thong von der Vietnamesischen Akademie der Wissenschaften in Hanoi (Vietnamese Academy of Science and Techonology (VAST) bzw. Institute of Ecology and Biological Resources (IEBR) ) während seines Dissertationsprojektes (Abschluss 2011) an der Universität Tübingen nachgewiesen werden.

















Der größte Artenreichtum findet sich in den Wäldern.
Ba Be forest

Nam Trang
Nur ein relativ kleiner Teil der ursprünglichen Wälder ist noch erhalten und durch Schutzgebiete gesichert, meist in abgelegenen Bergregionen.
tree
Ba Be village













Das enorme Bevölkerungswachstum und eine rasante wirtschaftliche Entwicklung sorgen zunehmend für das Verschwinden traditioneller Wirtschaftsweisen und damit zur Vernichtung der Wälder.















Ein Großteil der Waldflächen ist Siedlungen, Reisfeldern und in letzter Zeit zunehmend auch Eukalyptus-Anpflanzungen zum Opfer gefallen.
rice field
Tan Lap cave













Die Karstregionen weisen aufgrund ihrer steilen Felshänge zumindest noch Reste der ehemaligen Waldbedeckung auf und bieten für Fledermäuse ideale Quartiere in den teilweise riesigen Höhlen.














Die leuchtenden Punkte sind die Reflexe des Blitzgerätes am Tapetum lucidum in den Augen einer Gruppe von Leschenault-Flughunden (Rousettus leschenaulti) an der Decke einer Höhle.
fruit bats
Tan Lap












Beim Ausflug aus ihrer Koloniehöhle bilden Faltenlippenfledermäuse (Chaerephon plicata) und Schwarzbärtige Grabfledermäuse (Taphozous melanopogon) eine kilometerlange Schlange, die bis an den Horizont sichtbar ist.




Cplicata

Faltenlippenfledermäuse (Chaerephon plicata) bilden Kolonien mit mehreren Millionen Tieren, die sich zur Nahrungssuche über riesige Flächen verteilen müssen.
Cplicata
Tmelanopogon Tmelanopogon




Die schwarzbärtige Grabfledermaus (Taphozous melanopogon) gehört wie auch die Faltenlippenfledermäuse zu den langflügeligen Arten, die weite Strecken auf der Suche nach Nahrung zurücklegen.










Der Höhlen-Langzungen-Flughund (Eonycteris spelaea) gehört zu den Flughunden und ist ein Höhlenbewohner, der allerdings ohne die Echoortung mit Klicklauten auskommen muss. Rechts ein adultes, unten zwei juvenile Tiere. Die lange Schnauze und lange Zunge dürften Anpassungen an den Verzehr von Nektar darstellen, gefangene Tiere fressen jedoch auch bereitwillig Obst.
Espelaea
Espelaea Espelaea
Rleschenaulti










Der Leschenault-Flughund (Rousettus leschenaulti) ist ein reiner Frucht- und Blütenfresser, seine Schnauze und Zunge sind viel kürzer als bei Eonycteris. Im Gegensatz zu diesem kann Rousettus mit der Zunge Klicklaute produzieren, die eine Echoortung und damit sicheres Navigieren auch in dunklen Höhlen erlauben.
Mlyra Mlyra Mlyra
Der Große Falsche Vampir (Megaderma lyra) ist ein spezialisierter Jäger, der seine Beute vor allem auf dem Boden fängt: neben Großinsekten und Spinnen gehören auch Wirbeltiere, darunter auch andere Fledermäuse, zu seinem Beutespektrum.
Harmiger












Die Himalaja-Rundblattnase (Hipposideros armiger) gehört zu den größten Hipposideriden und kann mit ihrem kräftigen Gebiss Großinsekten fressen, möglicherweise kann sie auch kleinere Wirbeltiere erbeuten. Die Männchen haben über den Nasenaufsätzen eine schildartige Verdickung (unteres Bild links), die den Weibchen fehlt (unten rechts).
Harmiger Harmiger
Wie vermutlich alle großen Hufeisennasen und Rundblattnasen jagt auch die Himalaja-Rund- blattnase (Hipposideros armiger) von Warten aus. An einem Ast hängend scannt sie mit ihren Echoortungslauten die Umgebung nach Beutetieren ab und fliegt erst los, wenn sie etwas geeignetes entdeckt hat. Hipposideros armiger (c) C.Dietz
Hlarvatus












Die Horsfield-Rundblattnase (Hipposideros larvatus) gehört zu den häufigeren Arten, da sie auch in stark landwirtschaftlich geprägten Landschaften überleben kann. Sie bildet Kolonien in Höhlen oder anderen unterirdischen Hohlräumen.
Hlarvatus Hlarvatus Hlarvatus














Die Weibchen der Schild-Rundblattnase (Hipposideros lylei) haben über dem Nasenaufsatz nur zwei kleine zusätzliche Auswüchse (= Schild), die bei den Männchen um das Vielfache größer sind.
Hlylei
Hpomona












Andersens Rundblattnase (Hipposideros pomona) ist ein kleiner Vertreter der Hipposideriden mit sehr wendigem Flug. Die im Vergleich zum Körper riesigen Ohren deuten auf eine Ortung von Beute zumindest teilweise nach den Raschelgeräuschen hin.












Die Ryukyu-Rundblattnase (Hipposideros turpis) umfasst eine ganze Reihe kryptischer Formen, die zumindest teilweise eigenständige Arten darstellen dürften. Sie gehört zu den größeren Arten und kommt vor allem in Karstgebieten vor, zur Ökologie ist kaum etwas bekannt.
Hturpis
Rmicroglobosus












Die Hufeisennase Rhinolophus microglobosus gehört zu den Neuentdeckungen der letzten Jahre, sie wurde erst im jahr 2008 als neue Art erkannt, entsprechend spärlich ist das Wissen um diese Waldfledermaus.
Rmicroglobosus

















Detailansicht des Nasenaufsatze von Rhinolophus microglobosus.
Rpearsonii











Pearsons Hufeisennase (Rhinolophus pearsoni) gehört zu den mittelgroßen Arten der Gattung und ist anhand der charakteristischen Sella von allen anderen Arten zu unterscheiden. Die Art kommt nur in weitestgehend ungestörten Primärwäldern vor und ist entsprechend selten.










Die Bourret-Hufeisennase (Rhinolophus paradoxolophus) weist die ungewöhnlichste Bildung des Nasenaufsatzes und der Ohren auf, die Hufeisennasen zu bieten haben. Diese sehr seltene Fledermaus ist auf ungestörte Primärwälder als Lebensraum angewiesen, in denen sie ihre hochgradig spezialisierte Echoortung zum Auffinden von Beutetieren inmitten dichter Vegetation nutzt.
Rparadoxolophus
Rparadoxolophus Rparadoxolophus Rparadoxolophus
Rhinolophus paradoxolophus (c) C.Dietz
Mchinensis







Das Chinesische Mausohr (Myotis chinensis) ist eine große Glattnasen-
fledermaus die in Höhlen ihre Quartiere bezieht und vor allem in Karstgebieten vorkommt.
Mchinensis
Mricketti












Die Fischerfledermaus (Myotis ricketti) ähnelt der Europäischen Langfußfledermaus, hat aber wesentlich größere Hinterfüße, die bei der Jagd auf der Wasseroberfläche zum Fang der Beutetiere eingesetzt werden.
Iio













Die Riesenfledermaus (Ia io) wirkt wie eine sehr große europäische Breitflügelfledermaus. Ihr Jagdflug ist vergleichbar zu dieser und führt sie über das Kronendach der Bäume.













Die Rundohr-Röhrennasenfledermaus (Murina cyclotis) gehört zu der tatxonomisch sehr schwierigen Gattung Murina, in der eine ganze Reihe kryptischer Arten vorliegen. Die kleinen bis mittelgroßen Arten jagen vor allem im Wald.
Mcyclotis

Die großen Fledermauskolonien in manchen Höhlen werden seit jeher auch von Menschen genutzt: als Düngerlieferanten und zur Versorgung mit tierischem Eiweiß:
Tan Lap














Für den Abtransport gesammelter Guano in einer mehrere Millionen Tiere umfassenden Koloniehöhle der Faltenlippenfledermaus (Chaerephon plicata).
















Netzaufbau zum Fang von Fledermäusen durch örtliche Jäger an einer Koloniehöhle.
Tan Lap
Tan Lap












Die gefangenen Fledermäuse gelten als Delikatesse. Problematisch wird dieser Art der "Nutzung" der riesigen Fledermausbestände, wenn zu viele Tiere gefangen werden und sich die Lebensgrundlage der Tiere durch Abholzung der Wälder verschlechtert.












Auf gesunde Populationen der koloniebildenden Fledermausraten dürften die sporadischen Abfänge keine großen Einflüsse haben, noch sind die Bestände stabil. Da jedoch niemand weiß wie groß das Einzugsgebiet der Riesenkolonien ist, sind Beeinträchtigungen schwer abzuschätzen.
Tan Lap