Barbastella leucomelas von der Sinai-Halbinsel |
Barbastella leucomelas Das Foto dieser Fledermaus stammt aus dem Sinai-Gebirge in Ägypten. Bis vor Kurzem waren nur ein paar wenige Museumsbelege bekannt, darunter die Tiere der Typusserie aus der Gegend des Katharinenklosters (El Milga) im Sinai. Im Jahr 2005 gelang es zum ersten Mal nach 182 Jahren wieder Tiere dieser Art auf dem Sinai zu fangen. Anhand der neuen Gewebeproben lies sich ein langer Wissenschaftsstreit beenden: Die Tiere der Sinai-Halbinsel stellen tatsächlich eine eigene Art dar. Im Gegensatz zu ihrer Verwandten, Barbastella barbastellus, ist die Sinai-Art an das Leben in trockener Felswüste angepasst. Vermutlich ist sie hier aber sehr selten, seit der Wiederentdeckung im Jahr 2005 laufen nun Planungen für Schutzmaßnahmen in Ägypten an. Alle derzeit bekannten Vorkommen liegen im neuen Großschutzgebiet Sinai-Halbinsel, das von der ägyptischen Regierung ausgewiesen wurde. Nach wie vor ist unklar, wie die Verwandtschaftsbeziehungen zu anderen asiatischen Barbastella-Formen im Detail aussehen. Eine Schlüsselrolle zum Verständnis dazu spielen die Tiere im Kaukasus. Siehe auch: Projektbericht Sinai 2005 und Molecular identification. |
Eptesicus bottae Die systematische Einordnung der asiatischen und nordafrikanischen Verwandten der bei uns heimischen Breitflügelfledermaus (Eptesicus serotinus) ist seit Jahrzehnten umstritten. Zahlreiche beschriebene Arten wurden zu einigen wenigen zusammengefasst. Die große Ähnlichkeit zwischen all diesen Formen erschwert eine Beurteilung anhand morphologischer Merkmale. Erst genetische Methoden erlauben hier eine genaue Aufarbeitung der Verwandtschaftsbeziehungen. Heute wissen wir, dass die nordafrikanischen (Eptesicus isabellinus) und kleinasiatischen (Eptesicus anatolicus) Formen jeweils eigene Arten darstellen. Nach wie vor ist aber unklar, ob die ägyptischen und israelischen Tiere der Form innesi eine eigene Art darstellen oder als Unterart zu Eptesicus bottae gehören. Unter Letzterer werden derzeit zahlreiche aisatische Formen zusammengefasst, von manchen gibt es nur einige wenige Belegexemplare in Museumssammlungen. Wir haben mittlerweile gutes Probenmaterial der im Mittelmeergebiet vorkommenden Formen, doch bislang fehlen genetische Proben aus dem Typusgebiet von Eptesicus bottae, dem Yemen. Sobald auch diese Proben zur Verfügung stehen, dürfte eine gewisse Klärung in greifbare Nähe rücken. Siehe auch: Molecular identification. |
Eptesicus bottae innesi aus Israel |
Eptesicus isabellinus aus Portugal |
Eptesicus isabellinus Die nordwestafrikanischen "Breitflügelfledermäuse" wurden bis in die 1960er Jahre als eigene Art angesehen. Das Fehlen morphologischer Unterschiede zu iberischen Eptesicus serotinus führten dann zu einer Synonymisierung mit letzterer. Erst genetische Vergleiche belegten eine klare artliche Eigenständigkeit von Eptesicus isabellinus. Gänzlich überraschend war dann allerdings, dass diese Art auch auf der südlichen Iberischen Halbinsel vorkommt (siehe Veröffentlichung zu den Iberischen Fledermäusen) und somit nicht etwa die Straße von Gibraltar die beiden Arten serotinus und isabellinus trennt, sondern dass die Arealgrenze beider Arten deutlich nördlicher quer durch die Iberische Halbinsel verläuft. Derzeit sind noch keine sympatrischen Vorkommen beider Arten bekannt. Eine Untersuchung in einer möglichen Kontaktzone könnte interesannte ökologische und genetische Ergebnisse liefern. Morphologsich sind sich beide Arten ähnlich, die Isabellfledermaus ist aber kleiner und die Hautpartien sind fahler gefärbt. Sicherstes Unterscheidungsmerkmal ist die Länge der oberen Zahnreihe. Der Penis der Männchen stellt ein weiteres gutes Merkmal dar, Isabellfledermaus-Männchen haben eine angedeutete dachförmige Furche auf dem Penis (ähnlich wie bei Eptesicus anatolicus) und am Ende eine scheibenartige Verdickung, die keine der anderen westpaläarktischen Eptesicus-Arten besitzt. Siehe auch: Molecular identification. |
Eptesicus bottae innesi aus Ägypten |
Eptesicus fuscus aus Nordamerika |
Eptesicus nilssonii aus Süddeutschland |
Pipistrellus lepidus Die Weißrandfledermaus Pipistrellus kuhlii hat eine weite Verbreitung im gesamten Mittelmeerraum. Dabei unterscheiden sich Populationen der Wüstengebiete und feuchterer Lebensräume deutlich in ihrer Fellfärbung und Größe. Genetisch sind sich Tiere vom Nordrand der Verbreitung und aus der Sahara (deserti) allerdings sehr ähnlich. Deutliche und große genetische Unterschiede gibt es aber zwischen west- und ostmediterranen Formen. So hat sich gezeigt, dass die östlichen Tiere (Ukraine, Osttürkei, Israel) vermutlich eine eigene Art darstellen: Pipistrellus lepidus. Innerhalb dieser genetisch gut abgrenzbaren Gruppe gibt es allerdings wie bei Pipistrellus kuhlii eine deutliche Abstufung der Fell- und Hautfärbung mit der Niederschlagsmenge. Tiere aus der Negev-Wüste (wie das abgebildete Tier links) sind fahl gefärbt, Tiere aus dem Marongebirge an der Grenze zum Libanon wesentlich dunkler. Die Weißrandfledermausgruppe (Pipistrellus kuhlii, P. lepidus, P. maderensis, P. deserti) ist ein schönes Beispiel dafür, wie schwierig es sein kann Arten abzugrenzen: morphologische, ökologische und genetische Ansätze liefern konträre Einschätzungen. Letzlich wird diesem Problem nur durch sehr umfangreiche und detaillierte Studien beizukommen sein, die auch das Fortpflanzungsverhalten unter natürlichen Bedingungen (oder unter möglichst natürlichen Haltungsbedingungen) mit einschließen. Siehe auch: Molecular identification. |
Pipistrellus lepidus aus der Negev-Wüste |
Pipistrellus spp. aus Kreta |
Pipistrellus hanaki creticus
Im Mittelmeergebiet sind die beiden Arten Pipistrellus pipistrellus (Zwergfledermaus) und Pipistrellus pygmaeus (Mückenfledermaus) weit verbreitet. Umfangreiche genetische Studien durch Pavel Hulva belegen, dass diese beiden Arten ihren Verbreitungsschwerpunkt im nördlichen Mittelmeerraum haben, und dass die Populationen aus Nordafrika davon isoliert sind: Die Zwergfledermäuse der Maghreb-Staaten unterscheiden sich zumindest auf Unterart-Ebene von ihren europäischen Verwandten, sie kommen auch auf den italienischen Mittelmeerinseln und auf Korsika vor. Innerhalb der Mückenfledermaus-Gruppe stellen die Vorkommen auf Zypern eine eigene gut abgegrenzte Unterart dar. Ihre nächsten Verwandten kommen auf der libyschen Cyrenaika vor und wurden von Petr Benda und Mitarbeitern 2004 als eigene Art beschrieben: Pipistrellus hanaki. Darüber hinaus konnte 2007 ein tschechisches Team um Pavel Hulva die Existenz einer weiteren kryptischen Linie auf Kreta feststellen: morphologisch der Zwergfledermaus ähnlich, genetisch aber deutlich von ihr verschieden und am nächsten zu Pipistrellus hanaki stehend. Diese Unterart kommt auf Kreta vor allem in den wenigen verbliebenen Waldresten in den Hochlagen der Gebirge oder in Galeriewäldern entlang von Wasserläufen vor. Siehe auch: Veröffentlichung von Hulva et al (2007). |
Myotis cf. nattereri Die Fransenfledermaus (Myotis nattereri) galt bis vor Kurzem als eine gut bekannte Art, die äußerst geringe morphologische Variabilität selbst zwischen weit auseinander liegenden Populationen ließ darauf schließen, dass sie alle ein und derselben Art angehören. Umso überraschender sind allerdings die neuesten genetischen Befunde. Die hier abgebildete Fledermaus haben wir im Frühjahr 2007 in Israel gefangen und genetisch ist sie ganz eindeutig keine Myotis nattereri, sondern eng mit einer sehr seltenen größeren Art aus Aserbaijan und dem Nordiran (Myotis schaubi) verwandt. Unsere Tiere haben wir nahe der Typuslokalität der Form hoveli gefangen, aber ob die israelischen Tiere nun hoveli heißen werden oder ob einer der anderen möglichen Namen asiatischer Arten Vorrang hat (z.B. Myotis tschuliensis), werden erst weitere Studien zeigen. Sicher ist aber, dass sie nicht zu der in Europa weit verbreiteten Myotis nattereri gehören - ein Grund mehr die letzten natürlichen Wälder im Nahen Osten vor der endgültigen Zerstörung zu bewahren, denn in alten mediterranen Laubwäldern ist diese "neue" Art zu Hause. Spannend sind sicher auch ökologische und verhaltensphysiologische Vergleiche zwischen der in Europa sehr gut untersuchten Myotis nattereri und der neu entdeckten ostmediterranen Art. Und dass die nattereri-Gruppe noch viele Überraschungen bereit hält, zeigen auch die folgenden beiden Beispiele. |
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Myotis spp. aus den Südalpen |
Myotis cf. nattereri die
Zweite Bei der Untersuchung von Gewebeproben der Fransenfledermaus (Myotis nattereri) aus Mitteleuropa fand Andreas Kiefer aus Mainz überraschenderweise DNA-Sequenzen, die auf eine neue, bislang unbekannte Fledermausart schließen ließen. Leider war zu der Herkunft der beiden Proben fast nichts bekannt. Im Herbst 2007 hatten wir Gelegenheit mit slowenischen Kollegen Fledermäuse in den Südalpen zu fangen, und die Überraschung war groß, als unter den gesammelten DNA-Proben wieder Sequenzen der "neuen" Art waren. Diesmal waren nicht nur die Fundorte genau bekannt, auch Messwerte, Echoortungsrufe und hunderte Detailfotos lagen vor und damit die Grundlage für die Planung eines größeren Projektes. Im Spätsommer 2008 war es dann so weit: über meherer Tage konnten wir schwärmende Fledermäuse fangen, darunter auch 14 der mysteriösen "Fransen"fledermäuse. Während die genetische Artbestimmung keinerlei Schwierigkeiten bietet, ist eine sichere Artzuordnung im Feld derzeit aber unsicher und wir versuchen noch griffige Merkmale zu finden, die auch am lebenden Tier anwendbar sind. Siehe auch: Molecular identification. |
Myotis cf. nattereri die
Dritte Bei einer groß angelegten genetischen Untersuchung spanischer Fledermäuse und durch den Vergleich mit DNA-Sequenzen aus ganz Europa fanden spanische und schweizer Wissenschaftler heraus, dass es auf der Iberischen Halbinsel einige kryptische Arten gibt, die sich zumindest genetisch ganz erheblich von ihren Zwillingsarten unterscheiden. So stellen die bisher zur Fransenfledermaus gezählten Populationen der südlichen Iberischen Halbinsel und wohl auch Nordwestafrikas eine eigene Art dar. Ein möglicher Name für diese neue Art könnte Myotis escalerai sein. Im Frühjahr 2008 konnten wir mit Hilfe portugiesischer Kollegen einige dieser Tiere im Süden Portugals fangen. Neben ökologischen Besonderheiten (die Art bildet große Wochenstuben in Höhlen mit bis zu mehreren hundert Individuen) gibt es auch deutliche morphologische Unterscheidungsmerkmale. So weichen die Zahl, Dichte und Stellung der Fransen am freien Saum der Schwanzflughaut deutlich von allen anderen westpaläarktischen Arten des Myotis nattereri-Komplexes ab. Siehe auch: Download der Veröffentlichung zu den Iberischen Fledermäusen |
Myotis cf. escalerai aus Portugal |
Plecotus begognae aus Portugal |
Plecotus begognae Diese
zunächst als Unterart des Braunen Langohr (Plecotus auritus)
beschriebene Form unterscheidet sich morphologisch kaum von dem in
Europa weit verbreiteten Braunen Langohr, ist genetisch aber sehr
deutlich abgegrenzt. Diese beiden genetischen Linien "auritus" und
"begognae" stellen ein weiteres Beispiel dafür dar, dass hier
die
traditionellen Artkonzepte and ihre Grenzen stoßen. Letztlich
wird es erst dann möglich sein, eine Entscheidung
über den
Artstatus von begognae
zu fällen, wenn man sympatrische Vorkommen
der beiden genetischen Linien findet. Ein Artstatus für die
Iberische Form wäre nur dann gerechtfertigt, wenn beide Linien
reproduktiv isoliert sind. Sicher ist allerdings, dass die Iberischen
Braunen Langohren etwas Besonderes sind. Da sie nur in den Gebirgen in
naturnahen Laubwäldern vorkommen, lassen die
großflächigen Waldbrände und die sich
stetig
ausdehnenden Eukalyptusanpflanzungen eine erhebliche
Gefährdung vermuten. Bleibt zu hoffen, dass die
Lebensräume
der Art und damit auch das Überleben dieser Langohren
dauerhaft
gesichert werden können, unabhängig von ihrem
letztlichen
Artstatus.
Siehe auch: Download der Veröffentlichung zu den Iberischen Fledermäusen |
Unser Dank gilt allen, die
mit uns
zusammenarbeiten und uns ihre neuen Erkenntnisse mitteilen, denn nur im
Team lassen sich die komplizierten und vielfältigen Probleme
der
Fledermaussystematik hoffentlich in absehbarer Zeit lösen. Wir
danken ganz herzlich all unseren Freunden in Bulgarien,
Griechenland,
der Türkei,
Polen, Slowenien,
Österreich,
Deutschland,
Italien,
Portugal, Großbritannien,
Ägypten,
Israel, Marokko, Armenien, Algerien und auf den Kanaren dafür, dass sie mit uns Fledermäuse
fangen, die
notwendigen Genehmigungen in vielen europäischen
Ländern
besorgen und ihr umfangreiches Wissen mit uns teilen!
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